Im Frühjahr 2020 haben französische Strafverfolger den Server des europaweit genutzten Messengers EncroChat infiltriert, für einige Monate sämtliche Kommunikation verdeckt mitverfolgt und den Dienst dann geschlossen. Laut BKA bestanden die Chats „nahezu ausschließlich...
Im Frühjahr 2020 haben französische Strafverfolger den Server des europaweit genutzten Messengers EncroChat infiltriert, für einige Monate sämtliche Kommunikation verdeckt mitverfolgt und den Dienst dann geschlossen. Laut BKA bestanden die Chats „nahezu ausschließlich aus strafrechtlich relevanten Inhalten“.
In Deutschland laufen bereits Strafverfahren, Staatsanwaltschaften zufolge werden es in 2022 noch wesentlich mehr. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat nunmehr eine Schwerpunktabteilung eingerichtet. Die Berliner U-Haftanstalt Moabit steht vor Platzproblemen.
Was steckt dahinter?
EncroChat war kein Messenger der in jedem App-Store heruntergeladen werden konnte. Um den Chat zu nutzen musste ein speziell voreingestelltes Android-Handy gekauft werden, welches die App enthielt. Die Kommunikation mit anderen Nutzern verlief dann mittels Ende-zu-Ende-Verschlüsselung - einer völlig üblichen Technologie wie sie auch bei herkömmlichen Messenger-Diensten verwendet wird. An einer besonders aufwendigen Verschlüsselungstechnologie, die in der Berichterstattung und einigen Gerichtsbeschlüssen unterstellt wird, fehlt es also.
Wie läuft die Beweisführung aus Sicht der Strafverfolger ab?
Den Behörden liegen abertausende Chat-Nachrichten vor. Mehr nicht. Anhand der Chats wird versucht, Teilnehmer zu identifizieren. Hier wird recht simpel vorgegangen: Bilder von Personen bzw. Körperteilen mit Merkmalen (Narben, Tattoos), Bilder von Häusern, Wohnungen, etc., versucht man einzelnen - den Ermittlern möglicherweise bereits aus anderen Zusammenhängen bekannten - Personen zuzuordnen.
Unterliegen die EncroChat-Daten einem Beweisverwertungsverbot?
Es gibt gute Gründe die dafür sprechen. Eine Kammer des Berliner Landgerichts etwa hat - in einem auch in den nationalen Medien beachteten Beschluss - entschieden, dass genau das der Fall ist. Das Gericht hat sich mit den wirklich virulenten Fragen im Zusammenhang mit der Verwertbarkeit befasst und ist zu dem Schluss gekommen, dass diese gerade nicht gegeben ist.
Dennoch hat die weit überwiegende Zahl deutscher Gerichte die Verwertbarkeit der Daten angenommen. Dies in der Regel mit abenteuerlicher Begründung, etwa mit dem Verweis auf das "Gerechtigkeitsempfinden der rechtstreuen Bevölkerung".
Instanzgerichte werden sich meines Erachtens künftig wenn überhaupt nur noch ganz vereinzelt so weit aus dem Fenster lehnen und die Unverwertbarkeit der EncroChat-Daten annehmen. Zu groß ist der öffentliche Druck.
Entscheiden wird in letzter Instanz der Bundesgerichtshof. Hier dürfte eine differenzierte Entscheidung zu erwarten sein. Das Rennen ist offen.
Was wäre die Konsequenz eines Beweisverwertungsverbots?
Die Konsequenz ist einfach: Unterliegen Beweismittel einem Verwertungsverbot dürfen sie nicht zulasten des Beschuldigten verwertet werden. Das kann immer dann der Fall sein, wenn die Erhebung rechtsstaatswidrig erfolgt ist, also der Staat seine eigenen Regeln bei der Erhebung des Beweises verletzt hat. Beweisverwertungsverbote gelten im deutschen Strafrecht aber nur für das dem Verbot unterliegende Beweismittel selbst - und nicht für alle anderen Beweise die mithilfe des verbotenen Beweismittels erlangt wurden.
Was kann die Verteidigung tun?
Zunächst muss die Verteidigung die vermeintliche Identifizierung angreifen. Ergeben sich hier Unstimmigkeiten und kann gar widerlegt werden, dass es sich bei dem Beschuldigten um den fraglichen EncroChat-Teilnehmer handelt, ist das Verfahren gewonnen.
Dann muss die Verteidigung die Verwertbarkeit der EncroChat-Daten problematisieren. Im Strafverfahren muss konsequent der Verwertung der Daten widersprochen werden. Nur so kann eine Entscheidung des BGH herbeigeführt werden.
Bei Fragen im Zusammenhang mit EncroChat wenden Sie sich jederzeit an mich.
Ich bin per Signal, Telegram und WhatsApp unter 0159 061226610 jederzeit für meine Mandanten erreichbar.
In einem persönlichen Gespräch in meiner Kanzlei am Kurfürstendamm 216 in Berlin lässt sich Näheres erläutern.